Volkstrauertag 1967 am Mahnmal in VossenackDer letzte Kommandeur der „Windhund – Division“ (116. Pz. Div.) - welcher die Division auch während des Einsatzes im Hürtgenwald in den Herbsttagen 1944 führte - Generalmajor a.D. Siegfried v. Waldenburg, Sprach zu den ehemaligen Soldaten seiner Division und zur Bevölkerung des Ortes Vossenack: |
Ansprache Siegfried von Waldenburg 12. November 1967
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine lieben Kameraden.
Der 1. Vorsitzende unseres Verbandes, Kamerad Puppe, hat mich gebeten, heute hier am Volkstrauertag die Gedenkansprache zu halten.
Ich tue dies hier an dieser geweihten Stelle als letzter Kommandeur unserer alten, ruhmreichen 116. Panzer-Division aus mehreren Gründen besonders gern und aus ganzem Herzen.
- Weil es mir leider nicht möglich war, an der Einweihung dieses unseres Ehrenmals zum Gedenken an unsere Toten teilzunehmen, und
- um bei dieser Gelegenheit auch meinen tiefempfundenen Dank allen denen auszusprechen, die durch ihren Einsatz und ihre Hingabe, durch ihre Spenden und durch ihre Mitwirkung die Errichtung dieses Ehrenmals ermöglichten und vollbrachten.
Dass ich dabei in besonderer Dankbarkeit und auch tief bewegt an die so schwer geprüfte Gemeinde Vossenack, an ihre Kirche mit ihren Vertretern und an die zuständigen Behörden denke, ist mir hohe Pflicht und Herzensbedürfnis. Ohne diese großzügige Hilfe von allen Seiten, ohne dies Verständnis und Mitgefühl für unsere Anliegen und ohne den unermüdlichen Einsatz der Spitze unseres Verbandes, ohne die alles, meine lieben Kameraden, ständen wir nicht hier.
Ist es nicht ergreifend und erhebend zugleich, dass wir hier an dieser für uns alle heiligen Stätte, Bevölkerung und Soldaten gemeinsam, unserer Toten und unserer Opfer aus schwerster von uns alten Soldaten sicher nicht gewollten Vergangenheit gedenken.
Bevölkerung und ein Dorf mit der einst so schwer umkämpften alten, ehrwürdigen Kirche als Mittelpunkt, und auf der anderen Seite, die Soldaten im schweren, bitteren Kampf hier auf deutschem Land, ihrer Aufgabe, der Pflicht und dem Gesetz folgend, gerade hier den drohenden feindlichen Einbruch in die Rheinische Ebene verhindern zu müssen! Gemeinsam auch in dieser Kirche hier, die uns Soldaten ebenfalls ein Denkmal bedeutet, ohne Rücksicht auf Konfessionen, für den Frieden zu beten.
Wer hier an diesem schicksalsschweren Erleben teilgenommen hat, sei es nun als Einwohner oder Soldat, wird all‘ das Schwere, das große stille Heldentum und die damit verbundenen Opfer richtig ermessen und begreifen können und auch die tragische Last und Bitterkeit des Soldaten mitempfinden, der hier, wie überall anderswo im letzten Kriegsjahr, gezwungen war, auf deutschem Boden zu kämpfen.
Wenn wir dies alles durchdenken, wird es klar, wie gerade wir, die alten Windhunde, die hier eine ihrer schwersten Schlachten durchkämpfen mussten, mit diesem Land, mit diesem Dorf und seinen Bewohnern, mit dieser Kirche, mit all‘ den Gräbern und nun auch mit diesem Gedenkmal, für immer verbunden sind.
Der Volkstrauertag und dieses Gedenkmal gelten dem Gedenken aller Toten und Opfer im Norden und Süden, im weiten Osten und Westen, auf den Meeren und in der Luft, den unschuldigen Opfern des Bombenkrieges und des N.S.-Regimes.
Alles wird an diesem Tage überragt von der Majestät des Todes, von dem Gedenken an das Millionen-Sterben der Kriege.
Die Frage warum dies alles und nach dem Sinn, sie ist nur schwer zu beantworten! – Aber steht nicht hinter der Souveränität des Todes die Majestät Gottes und kann dies nicht die Trauer der Hinterbliebenen und Zurückgebliebenen lindern, eingedenk des Bibelwortes: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben!“
Ich glaube, diese Opfer werden nicht umsonst gebracht sein, wenn wir nach vorwärts blicken, das deutsche Volk an dem geschichtlichen Geschehen die Mitverantwortung nicht verleugnet und wir bereit sind, zur Versöhnung mit allen und zum Frieden.
Ich glaube weiter, dass wir alten Soldaten, die den Krieg mit allen Auswirkungen wohl am besten kennen, diesen Weg beschritten haben, wenn wir uns mit unseren ehemaligen Gegnern, unseren heutigen Verbündeten, auf den Schlachtfeldern und in den Heimatländern treffen, wenn wir kameradschaftlich, ja oft freundschaftlich, unsere Gedanken austauschen und gemeinsam unserer Gefallenen gedenken und sie ehren, wie wir es hier tun.
So wird es überall im freien Teil unseres Vaterlandes heute sein, wieder auch gemeinsam mit unserer jungen Armee, deren Teilnehmer wir hier ganz besonders dankbar begrüßen, und vielerorts mit den alten ihr anvertrauten Ehrenzeichen, den Fahnen und Standarten alter ruhmreicher Regimenter. – Wir wollen froh und dankbar sein, diese heilige Verpflichtung, einen gesunden Volksempfinden entsprechend, wieder erfüllen zu können.
Dies hat gewiß nichts mit einer falschen Glorifizierung zu tun! – Deshalb ist es uns alten Windhunden wohl auch nicht zu verdenken oder zu verübeln, wenn wir hier an dieser Stelle und zu dieser Stunde besonders auch der Leistungen und Opfer gedenken, die dieser tragische Einsatz nicht nur von uns Soldaten, sondern ebenso von unseren Brüdern und Schwestern hier in Vossenack erforderte. Wie ja überall dort, wo auf deutschem Boden noch gekämpft wurde.
So sehe ich, wenn wir hier stehen, unsere braven Panzergrenadier – Regimenter im Kampf rings um diesen Ort, ich sehe die brennenden Häuser und den Kampf um die Kirche, ich sehe Schrecken, Furcht und Trauer dieser Gemeinde, ich erlebe in der Erinnerung das Wüten der feindlichen Panzer und seiner Artillerie und seiner den Luftraum absolut beherrschenden Luftwaffe, noch einmal das Vorgehen unseres Panzer – Regiments bei Schmidt und das unserer Aufklärungsabteilung – Abteilung mit unseren Pionieren im Kalltal und höre das Grollen und Rauschen unserer damals noch mächtigen Artillerie.
Ich denke aber auch in dieser Stunde an unser Großdeutschland, an meine schlesische und märkische Heimat und an ihre Opfer. Dort wo fast alle Gräber der Toten, der Ahnen, die seit Jahrhunderten dort lebten, und die Gräber der Gefallenen von einem kompromisslosen Gegner eingeebnet wurden. Diese Gräber, wie all‘ die im weiten Osten, können wir nicht mehr ehren und wohl auch nicht mehr wiedersehen, wie auch unsere Dörfer und Städte dort, die wir nicht mehr nach unserem Willen aufbauen können.
Wer dies alles erlebte und durchmachen musste, mancher von uns in zwei Weltkriegen, kann nur Gott bitten, unser Land und unser Volk vor einem solchen Schicksal in aller Zukunft zu bewahren und uns und der ganzen Welt den Frieden zu erhalten! – Jeder von uns tue das seine dazu.
Unsere Verpflichtung aber, der Opfer des Krieges zu gedenken und ihre Gräber zu pflegen und zu ehren, bleibt für immer bestehen und werden wir uns nie nehmen lassen, auch dann nicht, wenn die Begriffe: Treue, Kameradschaft und Pflicht heute an Wert verloren haben.
Deshalb sind wir allergisch und sehr empfindlich, wenn von gewisser Seite und in bekannter Form den Millionen deutscher Soldaten und unseren Toten, die ihnen gebührende Achtung versagt oder geschmälert wird, oder das Soldatentum, was nur von Böswilligen oder Nichtswissern mit Militarismus verglichen wird, in den Schmutz gezogen wird.
Wir haben unseren grauen Rock mit Anstand getragen, unsere oft bitter schwere Pflicht erfüllt, wir haben ehrenvoll bis zum Ende gekämpft und üben Toleranz gegen jedermann! Aber wir wollen nicht mit verachtungswürdigen Landsknechten konfrontiert werden, auch dann nicht, wenn z. B. einige von uns ihr Leben zum Schutz der deutschen Ostgrenzen zwischen den Kriegen eingesetzt haben.
Unsere Kameraden, Frauen und Witwen, die Kinder und Enkel unserer Gefallenen und wir, können und wollen es nicht mehr hören, wie eine Zeitung berichtete, dass unser Soll an Gefallenenehrung längst übererfüllt ist.
Wir können und wollen es auch nicht begreifen, dass Seelsorger aus ihrem Gotteshaus die Ehrenstätte der Gefallenen verdammen und damit, wenn sie auch „liebet eure Feinde“ auf ihre Fahnen schreiben, Zank und Streit in die eigenen Reihen säen. Diese Gedenkstätten, die oft das einzige sind, was den Hinterbliebenen zur Erinnerung an ihre Gefallenen verblieben ist.
Und ist es nicht beschämend und empörend, wenn unser Eisernes Kreuz, von unseren Toten und von uns getragen, in nicht wiederzugebender Art in den Schmutz getreten und verächtlich gemacht wird. Dieses schlichte Kreuz, was oft ein letztes Vermächtnis der teuren Toten war und bleibt.
Auch wir erwarten Toleranz und sollten wir nicht endlich beginnen, uns gegenseitig zu achten! So, wie es hier und vielerorts geschieht.
Man kann das deutsche Soldatentum der Vergangenheit und damit auch unsere Toten nicht immer wieder herabwürdigen und gleichzeitig verlangen, dass unsere Söhne und Enkel in der gleichen grauen Uniform, notfalls bereit sein müssen, für unser aller Heimat wieder das Leben einzusetzen, was unser Herrgott verhüten möge.
Wir wollen diesen Tag nicht vorübergehen lassen, um auch mit großer Dankbarkeit der Arbeit des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge zu gedenken, die der Pflege und Erhaltung der Gräber von ca. 7 Millionen in beiden Weltkriegen Gefallenen, an 30 000 verschiedenen Stellen, in 54 Ländern aller Erdteile, gilt.
Es ist schön und gut, dass auch die junge Generation in immer größerer Zahl für diese Arbeit gewonnen werden konnte, wenn viele tausende junger Menschen (in diesem Jahr allein 5500) ihre Ferien opfern und dafür in zahlreichen Ländern Gräber deutscher und ausländischer Gefallener pflegen und Friedhofsanlagen neu gestalten.
Diese Taten und Kontakte über die Grenzen werden, neben dem eigentlichen Zweck, zur Völkerverständigung beitragen und dem Frieden dienen.
Nach alter Soldatenpflicht und Sitte gedenken wir nun in Trauer und Ehrfurcht aller, die im Einsatz für die Verteidigung unseres Vaterlandes im guten Glauben ihr Höchstes gaben.
Wir schließen ein alle Männer, Frauen und Kinder, die in den Wirren des Krieges, in den Bombennächten und auf der Flucht umkamen, die Opfer des N.S,-Regimes und die Toten des 20. Juli, wie auch die Gefallenen unserer einstigen Gegner, die heute teilweise unsere Freunde und Verbündete sind.
Nun lassen Sie mich mit den Worten von Ihlenfeld schließen:
Weil man die Toten Gott überlassen muss, soll man es auch mit sich selber tun. – Jeder Tote, den ich im Kriege gesehen habe, hat mich daran erinnert.
Nach der Kranzniederlegung am Gedächtnisfenster in der Kirche zu Vossenack durch den Generalmajor a.D. Siegfried von Waldenburg sagte er: |